Von Christian von Kamp
Wie Sie darüber denken, weiß ich nicht. In der Öffentlichkeit jedenfalls handelt es sich um ein Tabuthema, über das „man“ nicht spricht. Spontane Kontakte oder Kommunikation mit verstorbenen Menschen, Begegnungen mit ihnen? Unsinn, Einbildung, Halluzinationen.
Vielleicht würde ich auch so denken, wenn ich nicht meine eigenen Erfahrungen damit gemacht und dann recherchiert hätte, wobei ich auf erstaunliche Ergebnisse gestoßen bin. Aber der Reihe nach:
2008 erkrankte meine geliebte Frau Monika an Magenkrebs. Sie starb im Sommer 2009. Eigentlich hätte ich zusammenbrechen müssen, aber es kam anders. Der Tag ihrer Beerdigung war einer der glücklichsten Tage meines Lebens, denn ich spürte die ganze Zeit über intensiv ihre Gegenwart, fühlte, wie gut es ihr ging, nahm teil an der Freude und dem tiefen Frieden, die sie erlebte. Wissenschaftlich korrekt wäre eigentlich zu sagen, dass ich den subjektiven Eindruck hatte, es sei so gewesen, auch wenn ich mir vollkommen sicher war, dass ich etwas Echtes erlebte.
Dieses Gefühl hatte ich in den folgenden Monaten häufiger, und zwar vor allem dann, wenn ich in Situationen kam, in denen ich eigentlich besonders traurig hätte sein müssen, z.B. wenn ich Monikas Grab aufsuchte oder eine Reise zu unserem Lieblings-Urlaubsziel unternahm. Die Erfahrungen trösteten mich ungemein.
Übrigens hatte, wie ich im Nachhinein erfuhr, eine Freundin von uns in der Stunde von Monikas Tod ihre Stimme gehört – in einer anderen Stadt, ohne von ihrem Sterben zu wissen. Die Stimme sagte unter anderem: „Ist das schön hier! … Trauert bloß nicht um mich.“
Mich interessierte, wie andere zu dieser Erfahrung standen, daher sprach ich eine ganze Reihe von Freunden und Verwandten an. Erstaunlicherweise erntete ich nicht nur verlegenes Schweigen oder den zarten Hinweis, ob das nicht alles Einbildung sein könne, sondern viele sagten mir: „Ja, ich habe Ähnliches erlebt! Ich habe meinen Vater ganz deutlich neben mir gefühlt. … Ich sah meinen verstorbenen Sohn neben seinem Grab. … Immer, wenn ich zum Friedhof kam, spürte ich, wie mein Kind seinen Arm um mich legte.“
Als ich denn nachforschte, was in der Fachliteratur zu diesem Thema zu finden war, stellte ich fest, dass bereits zahlreiche medizinische und psychologische Studien zu diesem Phänomen vorliegen, die durchgehend zu dem Ergebnis kommen, dass diese Erfahrungen weit verbreitet sind, vor allem bei hinterbliebenen Partnern und bei den Eltern verstorbener Kinder. Häufig wird auch betont, wie sehr solche Erlebnisse helfen können, die Trauer zu bewältigen. Soweit Erklärungen gesucht werden, ist oft, aber nicht immer von Trauer-Halluzinationen oder Ähnlichem die Rede.
Bei genauerem Hinschauen können einem Umstände solcher Erfahrungen auffallen, die nachdenklich machen. Beispielsweise, dass gelegentlich mehrere Menschen gemeinsam eine solche Erfahrung machen. Oder dass Personen eine Begegnung mit einem Verstorbenen erleben, von dessen Tod sie noch gar nichts wussten. Oder dass Menschen eine solche Erfahrung machen, die als fernstehende Bekannte gar nicht trauern. Manche erleben eine „Begegnung“ auch erst nach ein oder zwei Jahrzehnten, ihre Trauer ist längst abgeklungen. Und ein Bekannter von mir teilte mir mit, wie seine verstorbene Frau ihm half, einen verschollenen Schlüssel zu finden.
Wie auch immer: Ich persönlich – und ebenso diejenigen, die mir von ihren Kontakten berichteten – haben sie als echt erfahren. Und vor allem als trostreich.
Mehr über Nachtoderfahrungen findet ihr hier.
Als mein Mann starb, auf der Intensivstation einer Universitätsklinik, und sein Blut nur noch von der Herz-Lungen-Maschine in Bewegung gehalten wurde (was wir aber nicht in dieser Klarheit wussten!), warteten wir mit meiner damals zehn Monate alten Enkelin im Vorzimmer seines Krankenzimmers. Spielerisch, wie man mit Babys spricht, fragten wir sie: „Wo ist der Opa?“, und sie zeigte an die Zimmerdecke. Wir widersprachen ihr: „Nein, er ist DA!“ und zeigten auf die Tür zum Krankenzimmer. Sie schüttelte den Kopf und zeigte zur Decke. Immer wieder, wenn wir (auch nach längerer Pause) das Fragespiel wiederholten. Niemand hatte ihr erklärt, was „Tod“ ist und noch weniger, dass Tote in den Himmel aufsteigen oder etwas Ähnliches, ganz abgesehen davon, dass sie es vermutlich nicht verstanden hätte. Tatsächlich war mein Mann um die Zeit schon hirntot, was nicht einmal das medizinische Personal mit letzter Sicherheit wusste. Auch später, als wir daheim waren, beharrte das Baby darauf, der Opa sei irgendwo oben … Wer weiß schon, was sie gesehen haben mag!
LikeLike
Liebe Elke, wie schön, dass eure Enkelin dabei war. In dem Alter sehen die Kleinen einfach noch mehr als wir, soweit ich weiß. Danke und liebe Grüße Eva
LikeLike
Liebe Elke,
danke dafür, dass Du Deine Erfahrung mit Deiner Enkelin mit uns teilst! Ich kann mir gut vorstellen, dass sie ihren Opa „da oben“ gesehen hat. Ein tröstliches Erlebnis.
Liebe Grüße
Christian
LikeLike
Moin. Unsinn, Einbildung, Halluzinationen? Da mag wirklich jeder zu stehen wie er will. Das ist mir auch schnurz egal. Ich rede jedenfalls mit meinem „großen Bruder“ an seinem Grab und habe schon das Gefühl, dass er mir dann wie zu seinen Lebzeiten hilfreich zur Seite steht. Und mit meinem Sohn, auf See bestattet, rede ich an einer bestimmten Strandstelle mit Blick auf die See. Stimmt, trostreich ist das allemal.
LikeLike
Ja, lieber Sven, genau so sehe ich das auch. Liebe Grüße Eva
LikeLike